Scheidet ein Mitglied des Vorstands aus seinem Amt aus, ist in rechtlicher Sicht zwischen dem Organverhältnis und dem Dienstverhältnis zu unterscheiden. Daher müssen sich die Parteien über die Konditionen für die Beendigung des Organverhältnisses sowie für die der Beendigung des Dienstverhältnisses verständigen. Dabei zielt die Abberufung in erster Linie auf die Beendigung des Organverhältnisses des Vorstands ab.
In der Regel werden Vorstandsmitglieder bei der ersten Bestellung für drei Jahre und ab der zweiten Bestellung für fünf Jahre in das Amt berufen. Stellt die Aktiengesellschaft vor Beendigung fest, dass sie die Bestellung vor Ablauf der Bestellperiode vorzeitig beenden möchte, sind zwingend die gesetzlichen Vorgaben an eine rechtswirksame Abberufung eines Vorstandsmitglieds einzuhalten.
Wer kann ein Vorstandsmitglied abberufen?
Die Abberufung eines Vorstandsmitglieds einer Aktiengesellschaft ist nach der gesetzliche Vorgabe die Aufgabe des Aufsichtsrats (§ 84 Abs. 4 AktG). Nur der Aufsichtsrat ist befugt, Vorstandsmitglieder zu bestellen, abzuberufen und Anstellungsverträge zu kündigen. Er handelt dabei im Namen der Gesellschaft – nicht die Hauptversammlung.
Die Hauptversammlung kann ein Vorstandsmitglied nicht direkt abberufen. Sie hat lediglich die Möglichkeit, dem Vorstand das Vertrauen zu entziehen. Das ist zwar rechtlich unverbindlich, kann aber politischen Druck erzeugen und den Aufsichtsrat zu einer Abberufung veranlassen.
Wie erfolgt eine rechtssichere Abberufung?
In größeren Aktiengesellschaften übernimmt häufig der Personalausschuss des Aufsichtsrats die Vorbereitung solcher Entscheidungen.
Wichtig dabei: Die Entscheidung über die Abberufung muss vom gesamten Aufsichtsrat und nicht etwa dem Personalausschuss getroffen werden.
Das erfordert einen förmlichen Beschluss gemäß den gesetzlichen und satzungsmäßigen Vorgaben – einschließlich:
- ordnungsgemäßer Einladung zur Sitzung,
- Beschlussfähigkeit des Gremiums,
- Einhaltung formaler Abstimmungsverfahren,
- und der erforderlichen Mehrheit im Aufsichtsrat.
Gerade bei der Durchführung der Abberufung (und der anschließenden Vertragskündigung) passieren in der Praxis häufig Fehler. Diese können kostspielig und rechtlich angreifbar sein – insbesondere bei der Form der Beschlussfassung oder dem Zugang der Abberufungserklärung an das Vorstandsmitglied.

Ist der „Widerruf der Bestellung“ das gleiche wie eine Abberufung?
In der Unternehmenspraxis ist oft vom „Widerruf der Bestellung“ eines Vorstandsmitglieds die Rede. Diese Ausdrucksweise folgt aus dem Wortlaut des Gesetzes (§ 84 Abs. 4 Satz 1 AktG).
§ 84 Abs. 4 S. 1 AktG: „Der Aufsichtsrat kann die Bestellung zum Vorstandsmitglied und die Ernennung zum Vorsitzenden des Vorstands widerrufen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt.“
Also ja, die Abberufung ist nichts anderes als der Widerruf der Bestellung zum Vorstandsmitglied.
Welche Gründe müssen für die wirksame Abberufung vorliegen?
Die Vorgabe aus § 84 Abs. 4 S. 2 AktG lautet: „Ein solcher Grund ist namentlich grobe Pflichtverletzung, Unfähigkeit zur ordnungsmäßigen Geschäftsführung oder Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung, es sei denn, dass das Vertrauen aus offenbar unsachlichen Gründen entzogen worden ist.“
Das Vorstandsmandat kann also durch den Aufsichtsrat nur mit einem wichtigen Grund vorzeitig beendet werden. Dies ist nach dem Gesetz dann der Fall, wenn
- eine grobe Pflichtverletzung gegeben ist,
- eine Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung des Vorstandsmitglieds vorliegt oder
- die Hauptversammlung dem Vorstandsmitglied das Vertrauen entzieht.
Oft handelt es sich hierbei um schwere Pflichtverletzungen oder einen Vertrauensverlust. Deshalb spricht man häufig von einer fristlosen oder außerordentlichen Abberufung. In jedem Fall muss genau geprüft werden, ob einer der genannten Gründe vorliegt.
Für Vorstandsmitglieder ist insbesondere auch ein Augenmerk auf die 3. Variante (Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung) zu legen (s.u.).
Was sind „wichtige Gründe“ und „Unfähigkeit“?
Ein wichtiger Grund in Form der groben Pflichtverletzung liegt zum Beispiel vor bei:
- Dringendem Verdacht auf eine Straftat
- Korruption
- Bilanzmanipulation
- Gesellschaftsschädigendem Verhalten außerhalb des Dienstes
Gründe für die Unfähigkeit zur Geschäftsführung sind beispielsweise:
- Fehlende Fachkenntnisse
- Langwierige Erkrankungen
- Persönliche Unzuverlässigkeit
Der Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung
Der Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung kann ebenfalls ein wichtiger Grund für den Widerruf der Bestellung eines Vorstandsmitglieds sein. Ein solcher Vertrauensentzug muss auf sachlichen Gründen basieren.
Ein Beispiel dafür ist: Es gibt grundlegende Meinungsverschiedenheiten über die zukünftige Ausrichtung des Unternehmens. Dies gilt auch, wenn die Arbeit des Vorstandsmitglieds subjektiv nicht zu beanstanden ist oder dieses sogar objektiv im Recht ist.
Für den Vertrauensentzug benötigt man einen Beschluss der Hauptversammlung. Dieser Beschluss muss nicht begründet werden.
Das Vorstandsmitglied sollte auch bedenken, dass in einem Konzern unter Umständen eine 100%ige Kontrolle über die Hauptversammlung der Anstellungsgesellschaft vorliegt. Wenn die Muttergesellschaft entscheidenden Einfluss auf die Hauptversammlung nehmen kann, kann ihr § 84 Abs. 4 AktG die Möglichkeit liefern, den Beschluss über den Vertrauensentzug herbeizuführen, um das Vorstandsmitglied vorzeitig „loszuwerden“. Hier ist es besonders wichtig, dass im Vorstandsdienstvertrag keine sog. Koppelungsklauseln enthalten sind, die dem Vorstandsmitglied seine finanzielle Absicherung über den Dienstvertrag nehmen.
Wichtig zu wissen für den Vertrauensentzug:
- Die Verweigerung der Entlastung stellt nach Gerichtsmeinung nicht automatisch einen Vertrauensentzug dar.
- Eine alleinige Nicht-Entlastung reicht also nicht aus, um eine Abberufung zu rechtfertigen.
- Ein Vertrauensentzug, der auf offensichtlich unsachlichen Gründen beruht, ist ebenfalls keine ausreichende Rechtfertigung für eine Abberufung.
- Allerdings gilt, Mehrheitsverhältnisse in der Hauptversammlung können entscheidend sein.
Fazit: Abberufung nur aus wichtigem Grund!
Eine Abberufung kann also nur aus einem wichtigen Grund erfolgen – als außerordentliche und fristlose Maßnahme. Eine ordentliche, also grundlose Abberufung ist nicht zulässig und ist rechtlich nicht wirksam.
Für das Vorstandsmitglied ist es besonders wichtig, dass der Dienstvertrag ausreichenden finanziellen Schutz gewährt. Beachten Sie dies schon bei Beginn Ihrer Organtätigkeit, wenn Sie den Dienstvertrag verhandeln!