Im vorliegenden Beitrag klären wir anhand eines aktuellen Urteils des OLG Brandenburg vom 4. Dezember 2024 die Voraussetzungen, Reichweite und Grenzen der Auskunftspflicht gegenüber ehemaligen Geschäftsführern – insbesondere im Hinblick auf Haftungsansprüche der Gesellschaft.
Auskunftsanspruch nach dem Amt: Entscheidung des OLG Brandenburg
Das OLG Brandenburg hat mit Urteil vom 4. Dezember 2024 (Az. 4 U 65/23) bestätigt, dass der Auskunftsanspruch der Gesellschaft auch nach dem Ausscheiden des Geschäftsführers fortbesteht. Maßgeblich ist ein berechtigtes Informationsinteresse – etwa zur Vorbereitung möglicher Haftungsansprüche.
Wichtig ist hierbei insbesondere der folgende Aspekt: Auch die Tatsache, dass die Auskunft zur eigenen Belastung führen könnte, entbindet den Geschäftsführer nicht von seiner Pflicht. Das Gericht stellte zudem klar, dass sich die Auskunftspflicht auf Geschäftschancen erstrecken kann, die bereits während der Amtszeit entstanden sind, auch wenn sie erst später realisiert wurden.
Besteht also eine Auskunftspflicht nach Abberufung oder Kündigung?
Ja, auch nach Abberufung oder Kündigung bleibt der Geschäftsführer verpflichtet, der Gesellschaft Auskunft zu erteilen. Diese Pflicht ergibt sich sowohl aus dem früheren Anstellungsverhältnis als auch aus den fortwirkenden Treuepflichten. Voraussetzung ist, dass die Gesellschaft ein berechtigtes Interesse an der Auskunft hat – etwa zur Prüfung oder Durchsetzung möglicher Schadensersatzansprüche. Der Geschäftsführer kann sich dabei nicht darauf berufen, sein Amt oder Vertrag seien bereits beendet.
Wie lauten die Voraussetzungen für den Auskunftsanspruch der Gesellschaft?
Die Gesellschaft muss keine konkrete Pflichtverletzung nachweisen, um einen Auskunftsanspruch geltend zu machen. Es genügt bereits ein nachvollziehbarer Verdacht, dass der Geschäftsführer während seiner Amtszeit möglicherweise gegen seine Pflichten verstoßen hat – beispielsweise durch die Umleitung von Geschäftschancen auf ein Konkurrenzunternehmen, die Abwerbung von Kunden oder die eigenmächtige Vereinnahmung von Vergütungen. In solchen Fällen ist der ehemalige Geschäftsführer verpflichtet, der Gesellschaft umfassend Auskunft zu erteilen, etwa zu geschäftlichen Kontakten, Umsätzen oder relevanten Vereinbarungen. Der Auskunftsanspruch dient in diesem Zusammenhang der Vorbereitung möglicher Haftungsansprüche.
Umfang der Auskunftspflicht des Geschäftsführers
Die Pflicht zur Auskunft des Geschäftsführers ist nicht unbegrenzt, sondern richtet sich nach dem konkreten Informationsinteresse der Gesellschaft. Dabei gilt:
- Es muss ein Bezug zu der Zeit bestehen, in der der Geschäftsführer im Amt war.
- Die geforderten Informationen müssen zur Prüfung etwaiger Ansprüche erforderlich sein.
- Eine allgemeine „Ausforschung“ ist nicht zulässig.
Der Geschäftsführer muss unter Umständen auch Unterlagen herausgeben, wenn diese erforderlich sind, um die wirtschaftlichen Vorgänge nachvollziehen zu können.
Besteht die Auskunftspflicht trotz Selbstbelastung?
Ein häufiger Einwand ehemaliger Geschäftsführer ist, dass sie sich durch die Auskunft möglicherweise selbst belasten würden – insbesondere bei Verdacht auf eine schwerwiegende Pflichtverletzung. In der rechtlichen Abwägung überwiegt jedoch in der Regel das Interesse der Gesellschaft an einer effektiven Rechtsverfolgung. Daraus folgt, dass der Auskunftsanspruch auch dann bestehen kann, wenn die erteilten Informationen zur Begründung von Haftungsansprüchen gegen den Geschäftsführer herangezogen werden.
Zeitliche Grenzen der Auskunftspflicht
Grundsätzlich endet die Auskunftspflicht mit dem Ausscheiden des Geschäftsführers aus der Gesellschaft. Allerdings kann sich die Pflicht auch auf Vorgänge erstrecken, die nach seinem Ausscheiden liegen, unter anderem wenn diese noch auf seine Amtszeit zurückgehen.
Beispiel: Wenn der Geschäftsführer während seiner Amtszeit Vertragsverhandlungen mit einem Kunden führte, die nach seinem Ausscheiden in einen Auftrag für ein Konkurrenzunternehmen münden, kann die Gesellschaft Auskunft über diese Vorgänge verlangen. Entscheidend für den Auskunftsanspruch ist, ob die Geschäftschance bereits während der Amtszeit bestand und der Gesellschaft zuzuordnen war.
Möglichkeit der gerichtlichen Durchsetzung des Auskunftsanspruchs
Die Gesellschaft kann ihren Auskunftsanspruch auch gerichtlich durchsetzen. In der Praxis wird hierfür häufig die sogenannte Stufenklage genutzt, bei der zunächst die Auskunft eingefordert wird, um im nächsten Schritt auf dieser Grundlage einen möglichen Schadensersatzanspruch beziffern und geltend machen zu können. Insbesondere bei dem Verdacht auf schwerwiegende Pflichtverletzungen ist die konsequente Durchsetzung des Auskunftsanspruchs oft der einzige Weg, um den entstandenen Schaden aufzuklären und die Durchsetzung etwaiger Ansprüche abzusichern.
Fazit: Auskunftspflicht besteht über das Amt hinaus
Die Auskunftspflicht des Geschäftsführers endet nicht automatisch mit seiner Abberufung, Kündigung oder Amtsniederlegung. Sie besteht fort, solange die Gesellschaft ein berechtigtes Interesse an der Aufklärung bestimmter Vorgänge hat – insbesondere, wenn der Verdacht auf pflichtwidriges Verhalten im Raum steht und mögliche Haftungsansprüche geprüft werden sollen. Die Entscheidung des OLG Brandenburg bestätigt: Geschäftsführer entfliehen ihrer Auskunftspflicht nicht durch Ausscheiden aus der Gesellschaft. Gesellschaften sollten daher prüfen, ob auch nach dem Ausscheiden eines Geschäftsführers ein Auskunftsanspruch besteht und diesen gegebenenfalls konsequent durchsetzen. Denn nur wer Zugang zu den nötigen Informationen hat, kann Schadenersatzansprüche wirksam verfolgen und wirtschaftliche Verluste vermeiden.